Forschungsbericht

WIR RUFEN AUF! - DAS WAR DAS GLÜCK DER MITTELSCHICHT.

Nach der Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen des neoliberalen Kapitalismus in unserem ersten Projekt, standen nun linke Utopien und ihre Verankerung in der Mittelschicht im Zentrum unserer Arbeit. Der Ratlosigkeit und dem Scheitern aller Utopien entsprach die weitgehende Auflösung aller theatralischen Verabredungen, die bewusst nicht zu einen stringenten Ablauf des Abends führen sollten. Dabei griffen wir auf Gesten des Wiener Aktionsmus zurück, um sie nach rund fünfzig Jahren noch einmal auf ihre Wertigkeit für unsere Zeit zu überprüfen. In einer ersten Arbeitsphase sammelten wir das Arbeitsmaterial. Es kam nur medial veröffentlichtes Material zum Einsatz, das auf seine exemplarische Qualität überprüft wird. Nur dieses fest gesetzte Material steht den Performern als Zitat zur Verfügung. Es ist der Versuch, den Performer zum einen in einen Zustand totaler Autonomie zu bringen und zum anderen durch die Entäußerungseinschränkung nur fremdes Material in Wort und Geste zu verwenden, in ein Spannungsverhältnis zu bringen, in dem der moderne Mensch sich bewegt und dennoch zu einem individuellen und wahren Ausdruck zu gelangen. Das gesammelte und zur Verwendung vorgesehene Material war bei diesem Projekt dem Thema entsprechend, sehr breit angelegt und konnte in seiner Gänze nie vollständig im Laufe einer Performance angewandt werden. Das bedeutete, dass sich jeder der auf der Aktionsfläche Befindlichen in einem sehr komplexen Vorgang der Bewertung und Reaktion für seine eigenen Aktionen und die seiner Mitspieler befand. Das besondere an unserer Arbeit ist die praktizierte Aufhebung einer traditionellen Hierarchie, alle Beteiligten sind gleichberechtigte Autoren und in ihrem Handeln selbständig. Das bedeutet, das jede Performance ein Unikat ist, es nicht um Wiederholung von als "möglich" befundenen Abläufen geht, sondern gerade um das sich im Stattfinden ereignete Denken, Empfinden und Erfahren. Die ganze gesetzte Grundsituation lebt und bedingt eine nachhaltige Diskussion und permanente Infragestellung. Dieser Prozess vollzieht sich stetig in der Gruppe und jeden Abend mit den Zuschauern, Diskussionen, die immer wieder ohne Umwege in die nächste Performance mit einfließen und so zu einer permanenten Transparenz und Verflüssigung der Arbeit führen. Diese Arbeitsweise fordert sowohl von den Beteiligten, wie dem Zuschauern Risikobereitschaft, Offenheit und vor allen die Fähigkeit sich und seine eigene Widersprüchlichkeit zu erkennen und auszuhalten. Wir bieten keine ästhetischen Lösung, noch formale Berechenbarkeit.

Februar 2008