Text 21
B Ich gebe der Angst einen Platz in meinem Leben, aber ich lasse
mein Leben nicht von ihr kontrollieren. Schmerz darf es in meinem
Leben geben. Solange ich mich nicht gegen ihn wehre, geht er auch
wieder vorüber. Durch etwas gehen und sich nicht dagegen sträuben,
ist sehr lehrreich für mich. Wenn man eine Angst vor der Angst
entwickelt, ist man verloren. Ich habe meine Ängste, aber sie
haben mich nicht in ihrem Griff.
A Funktioniert Musik bei Ihnen als Emotionsverstärker?
B Meine Lebensqualität hat sich verbessert seit ich beschlossen
habe, keinen Bock mehr auf so viele Emotionen zu haben. Ich lache
gerne, habe gerne Gefühle, aber ich klammere mich nicht mehr an
meine Emotionen.
A Die Emotionsdarstellerei als Hauptingredienz des Showgeschäfts
tangiert sie nicht?
B Leichtigkeit ist für mich erstrebenswert. Was der Dalai Lama
macht, der auch noch lächelt, wenn er über traurige Dinge spricht,
imponiert mir. Ich hatte, genauso wie die meisten Menschen, so
viele Emotionen in meinem Leben, dass ich den Leuten durch meine
Musik eher einen Leichtigkeits-Impuls geben will. Es ist so
unglaublich viel Schwere in dieser Welt. Der Gipfel der
weltweiten Emotionalität war der 11. September 2001. Die Leute
füttern ihr vermeintliches, emotionales Gleichgewicht mit den
Schicksalsschlägen anderer Leute, die zum Teil ja sogar in der
Musik ausgedrückt werden. Ich kann es nicht mehr hören.
A Aber gerade heute wird doch Wert auf größtmögliche emotionale
Intensität gelegt.
B Das ist der reine Emotionswahn, aus dem man irgendwann auch mal
aussteigen muss, um Klarheit für sich zu schaffen. Ich bin lieber
ich, als dass ich etwas darstelle. Das merkt das Publikum und mag
einen dafür oder eben auch nicht.
A Auweia! Das darf man aber nicht laut sagen.
B Ich spüre meine Zuhörer viel mehr und kann mich mit denen viel
besser verbinden, wenn nicht immer meine Emotionen dazwischen
stehen.