A Macht hat, wer den Schnitt hat. Sie haben die Schere in der Hand,
also haben Sie die absolute Macht.
B Was interessiert Sie so an Vorgaben und Gesetzen?
A Ich komme aus einer Familie kommunistischer Nudisten. Ich durfte
tun und lassen, was ich wollte. Ob ich zur Schule ging oder mich
mit Weißwein betrank, hat meine Eltern nicht interessiert. Nach
einer solchen Kindheit sucht man in eigenen Leben nach Ein-
schränkungen.
B Dabei haben Kommunisten eigentlich sehr strenge Regeln.
A Gemeinhin nimmt man an, dass alle Menschen in der Lage sind, auf
einigermaßen vergleichbare Weise zwischen Gut und Böse zu unter-
scheiden. Aber warum sieht dann die Welt so aus, wie sie aus-
sieht? Warum haben all die guten Absichten meiner Eltern nichts
gebracht? Und wurm führen meine eigenen guten Absichten zu
nichts?
B Stellen Sie sich vor, Sie hätten Gelegenheit, die Gesetze und
Verordnungen aufzustellen, nach denen Menschen leben sollen.
A Es gibt da diesen tollen Leitsatz: Hinterlassen Sie die Toilette
stets so, wie Sie sie vorgefunden haben.
B Ich bin davon überzeugt, dass sich das Sexuelle und das Poli-
tische im menschlichen Bewusstsein nicht unbedingt trennen
lassen.
A Sie sind also doch ein Moralist.
B Ja, vielleicht. Oder besser nicht.
A Warum denn nicht?
B Es ist einfach ein bisschen billig.
A Sexuelle Fantasien sind meistens billig.
B Trotzdem ist es seltsam, dass Sie der immer versucht, alle
Klischees zu hinterfragen, ausgerechnet eine abgedroschene
Pornofantasie verwendet.
A Sie könnten mich ein bisschen ernster nehmen. Ich bin kein
pubertierender Junge.
B Sie sitzen hier in einem ehemaligen Kasernenhangar. Sie tragen
Militärklamotten, und auf den Hof steht ein Panzer. Sie insze-
nieren doch auch Ihre eigene Männlichkeitsfantasie.
A Ich bin keine Frau. Ich bin keine Frau. Um das einmal klar zu
sagen. Na ja, vielleicht doch. Ich bin eine amerikanische Frau,
zu 65 %. Also gut. Wenn man ein Sklave ist, und man jeden Tag
von seinem "Master" geschlagen wird, dann ist es ziemlich un-
wahrscheinlich, dass man sich auch in seinen sexuellen Fantasien
danach sehnt, ausgepeitscht zu werden. Träume von Unterwerfung
und Auspeitschen können sich nur die Menschen leisten, die nicht
geschlagen werden. Aber die Sehnsucht nach Dominanz und Unter-
werfung ist in unserem Triebstrukturen vorhanden. Ich bin davon
überzeugt, dass man diese Triebstrukturen nicht ignorieren kann,
wenn man nach angemessenen Formen des menschlichen Zusammenle-
bens sucht.
B Sie wären eine "gute" Sklavin. Eine, die im Haus der Herrschaften
arbeitet.
A Aber genauso funktioniert nun einmal der Faschismus, und so wurde
er in den Konzentrationslagern umgesetzt. Solange jeder um sein
Leben kämpfte, hatten die Nazis ein Problem. Sobald aber ein
Mensch mit guten Absichten ins Lager kam, hatten sie ein hervor-
ragendes Instrument der Manipulation in der Hand. Dann beginnt
der Handel: "Okay, bring diese beiden Frauen um, aber nicht die
Kinder." Wohlmeinende Menschen sind gefährlich.
B Sie sind mit einem jüdischen Vater aufgewachsen. Auf dem Toten-
bett erzählte Ihnen Ihre Mutter, dass in Wahrheit der Sohn eines
Nachkommen des dänischen Komponisten P. R. C. Hartmann seien. Und
dass sie sich auf diese Weise für Ihr Kind "kreative Erbanlagen"
geholt habe.
A Bis dahin dachte ich immer, ich sei jüdischer Abstammung. Tat-
sächlich bin ich aber eher Nazi. Vor ihrem Tod sagte meine
Mutter, ich sollte glücklich sein, dass ich der Sohn dieses an-
deren Mannes sei. Und dass mein Ziehvater keine Kraft und kein
Ziel gehabt habe. Er war aber ein sehr liebenswerter Mann. Und
ich war sehr traurig über diese Enthüllung.
B Hat Sie die Tatsache, dass Sie quasi als kreativer Sohn "gezüch-
tet" wurden, auch unter Druck gesetzt?
A Oh ja, oh ja. Und man fühlt sich manipuliert, wenn man dann tat-
sächlich kreativ wird. Hätte ich gewusst, dass meine Mutter
diesen Plan hat, dann wäre ich etwas anderes geworden. Ich hätte
es ihr gezeigt. Diese Schlampe!
B Beten Sie?
A Ja, ich bete, tatsächlich. Aber das ist auch alles. Ja, ich bin
ein Moralist. Aber ich will nicht, dass ich moralisch wirke. Ich
will auch nicht, dass Sie mich für einen Moralisten halten. Ich
will, dass Sie mich für grausam, hart und männlich halten.