Text 02
Ich bewerbe mich seit drei Jahren.
85 Prozent der Leute, die hier tanzen, sind Gymnasiasten, die meisten haben Elternhäuser aus der gehobenen Mittelschicht. Zu jedem Anfängerkurs gehört die intensive Einführung in das richtige Grüßen, Essen, Anziehen und Smalltalken. Ich habe mich auf dieses Thema spezialisiert und bin auf Gold gestoßen. Mein Tischsitten-Training im nahen Grand-Plaza-Hotel, Benimmunterricht für Auszubildende, für Burschenschaften und für mittlere Manager - alles ausgebucht. Unser ältester Sohn kommt jetzt in die Internationale Schule. Da bewegte ihn schon: Gucken die auch, wie ich esse?
Bei einigen ist das Sicherheitsbedürfnis so ausgeprägt, dass sie bis zur Kriecherei an ihrem Job festhalten. Statt sich nach etwas neuen umzusehen.
Mein Bruder hat gesagt, wenn man Arbeit hat man Erfolg. Wir arbeiten die ganze Woche und haben keinen Erfolg. Also? Was machen wir falsch?
Unterschicht passiert mir nicht, komm ich nie rein, denkt man, wenn man einen Job hat.
Wir waren alle motiviert, wir haben gerne gearbeitet. Das zählt alles nichts mehr. "Gehen Sie! Wir brauchen Sie nicht mehr!" Sag ich: "Hä, was ist an dir vorbeigegangen? Hast du immer nur geschlafen? Hast du dir was vorgaukeln lassen?"
Boa, Allianz, super, das ist ja ein Riesenverein und die haben ja Geld ohne Ende, die machen Gewinne immer satt, die stehen Top 1 da. Also wenn du da reinkommst, dann bist du wie ein Beamter, dann kann dir nix passieren.
Lange Zeit fühlte ich mich auch sicher. Die Ehrenurkunde zum 25jährigen Dienstjubiläum.
Viele Kollegen haben sie jetzt aus Frust zerrissen. Mich hat der Frust krank gemacht. Mit der drohenden Kündigung kamen Schlaflosigkeit und Ohrensausen. Ständig mach ich mir Gedanken. Ich ja weiß, dass ich nicht mehr der Jüngste bin.
Mit 53? Wo will ich mich denn bewerben? Ich müsste erst mal lernen: Wie schreibe ich nochmal eine Bewerbung? Auftreten – hätte ich kein Problem. Ich bin, wie ich bin. So kommuniziere ich auch. Aber: 20, 30, 40, 50, 100 Bewerbungen schreiben – und dann immer wieder Absagen? Wie kommt man sich dann vor?
Mensch Meier, der ist doch morgens immer zur Türe rausgegangen, den hast Du an der Bahn getroffen, jetzt triffst du den in der Stadt und fragst: Wie geht’s Dir? Ja, ich habe keinen Job mehr, ich sitze zu Hause rum.
Ich sitzt oft Zuhause. Ich bin seit zwei Jahren arbeitslos. Obwohl ich auch ich einmal richtig gut verdient habe. Noch zwei, drei Monate, dann bin ich pleite. Weil, ich habe eine gewisse Abfindung, die man da bekommt. Und wenn die aufgebraucht ist – irgendwann ist Schluss.
Ich habe also wirklich gedacht, jetzt geht es aufwärts, weil wir waren wirklich in dem Werk da mit vielen Innovationen und neuen Produkten am Werk und haben Visionen entwickelt, das war also richtig im Team auch und es war modernes Arbeiten – und es war toll! Doch dann wurde meine Abteilung nach Österreich verlegt.
Meine Frau ist zwar berufstätig. Trotzdem wird die Arbeitslosigkeit zur Belastung, vor allem für die Kinder. Die haben dann auch schon ihre Ängste, also, das geht dann ins Unterbewusstsein rein. Die handeln dann so, dann essen die einmal Mittag und haben dann am Abend keinen Hunger mehr – und das macht mich irgendwie auch fertig.
Die haben uns auch einmal einen kleinen Urlaub finanziert. Das muss man wirklich sagen. Die haben zusammen gelegt, dass man mal mitfahren kann in irgendein Hotel oder so, für ein Wochenende. Und da muss ich sagen, das kann man wirklich schätzen, solche Freunde zu haben.
Jetzt hat er ja das Büro angemietet und seitdem ist er sowieso komplett anders, weil er einfach eine neue Perspektive hat und sie auch sieht und da jetzt dran arbeitet.
Geld verdient ich in meinem Keller noch nicht. Doch es ist seine letzte Hoffnung.
Das macht mir schon Panik, also wenn das dann soweit kommt.
Der Absturz?
Der Absturz, ja.
Ich habe eigentlich gedacht, das ist vielleicht sogar noch mal ne richtige Chance für dich. Du bist auf vielen Gebieten fit, aber jetzt machste dich noch mal ganz perfekt. Und war trotz des ersten Schockes nach einigen schlaflosen Nächten doch der Meinung, da kannst du etwas draus machen.
Letztendlich reichte es nur für eine kürzere Neuanstellung. Seit 13 Monaten bin ich nun arbeitslos. Bewerbungen habe ich viele geschrieben. Ohne Erfolg.
Nach jeder Absage werde ich von meinem Selbstwertgefühl immer kleiner. Ja, ich minimiere mich sozusagen, oder werde minimiert, ich mach es ja nicht freiwillig.
Wenn ich dann wieder mit der Post hochkomme und dann sind wieder drei Absagen dabei. Man ist schon versucht, die irgendwo wegzulegen, damit man einfach diese Enttäuschung auch nicht in seinem Gesicht ständig sieht.
Reisen, Theaterkarten, die gute Flasche Wein – all das ist momentan nicht mehr drin. Ich will mich aber nicht aufgeben. Heute Vormittag war ich bei einem Vorstellungsgespräch. Ich hab ein ganz gutes Gefühl.
Da musste ich meinen über 80jährigen Vater darum bitten, dass er mir hilft. Und dieses Gefühl wünsche ich eigentlich keinem. Ich bin 44 Jahre alt, habe immer ein geordnetes Leben geführt. Finanziell geordnet in erster Linie und dass Sie dann dort unten, sag ich jetzt mal, oder in diese Situation kommen, war schon für mich sehr beschämend, ja.
Sie brauchen einfach mal wieder einen Impuls, der Sie nach vorne bringt, ja. Wo Sie sagen, da hat mal wieder was geklappt. Und da gewinnt man auch sofort wieder den Optimismus raus, ja. Der ist ja nur ein bisschen verschüttet, der ist ja nicht völlig vergraben, dass er nie wieder rauskommt. Aber er ist halt ein wenig verschüttet und wenn der wieder aktiviert werden würde, also das wäre mein größter Wunsch.
Wie geht es dir? Ist es gerade sehr frustrierend?
Das ist aber kein "Du musst", sondern ein "ich vertraue darauf".
Reisen, Theaterkarten, die gute Flasche Wein – all das ist momentan nicht mehr drin. Ich will mich aber nicht aufgeben. Heute Vormittag war ich bei einem Vorstellungsgespräch. Ich hab ein ganz gutes Gefühl.
Da musste ich meinen über 80jährigen Vater darum bitten, dass er mir hilft. Und dieses Gefühl wünsche ich eigentlich keinem. Ich bin 44 Jahre alt, habe immer ein geordnetes Leben geführt. Finanziell geordnet in erster Linie und dass Sie dann dort unten, sag ich jetzt mal, oder in diese Situation kommen, war schon für mich sehr beschämend, ja.
Sie brauchen einfach mal wieder einen Impuls, der Sie nach vorne bringt, ja. Wo Sie sagen, da hat mal wieder was geklappt. Und da gewinnt man auch sofort wieder den Optimismus raus, ja. Der ist ja nur ein bisschen verschüttet, der ist ja nicht völlig vergraben, dass er nie wieder raus kommt. Aber er ist halt ein wenig verschüttet und wenn der wieder aktiviert werden würde, also das wäre mein größter Wunsch.
Wie geht es dir? Ist es gerade sehr frustrierend?
Das ist aber kein "Du musst", sondern ein "ich vertraue darauf".
Nach unsrem Abschied hatte Marianne über Kopfweh geklagt. Ich habe dann einen tiefen Schmerz in ihren Augen gesehen.
Der Abschied von unsrer Show hat Marianne das Herz gebrochen. Wir fühlen uns, als hätte man uns den Boden unter den Füßen weggezogen.