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Revolutionäre, Genossinnen und Genossen, Antiautoritäre.
Ich habe nie recht verstanden, worum es dabei geht, sicher nicht um Klassenkampf oder soziale Gerechtigkeit, aber dennoch: auf die Frage, ob dieses Lied links oder rechts sei, hätte ich ohne Zögern geantwortet: "Links!". Warum eigentlich?
A Warum tragen Sie lange Haare? B Ja, ich find, daß das gut aussieht im Grunde, weil ich auf eng- lische Musik stehe, verstehn Sie? Ich finde englische Musik so gut und ich finde auch gut wie ich so sehe, wie man in England so rumgammelt, ohne Strümpfe und so kaputte Schuhe und so. Ich finde überhaupt diese ganze Tour so gut, und darum trag ich sie so. A Ist das vielleicht aus Protest gegen die Erwachsenen, oder gegen irgendetwas in der Gesellschaft, das ihnen nicht gefällt? C Ja, ick bin gegen Spießbürgertum, dat is allet und ick finde dit uff eene Art so doll und duffte und so. A Was sagt der Lehrherr zu ihren langen Haaren? C Ja, der spitzt mir immer an, zum Frisör und so, aber feif ick druff.
Frechheit, das war das Erste. Man hatte frech zu sein, gegenüber diesen merkwürdigen Autoritäten, rotzfrech, und sich den Ansprüchen zu entziehen, auf allen möglichen Ebenen, und ne andere Sorte Leben anzufangen. Wenn man den Begriff links, der sich als politisch versteht, vernünftig beschreiben wollte, würde ich ihn da ansetzen. Das war ein Lebensgefühl, ein generationelles Lebensgefühl, das gegenüber dieser älteren Generation entstand, von der man sich nicht abspeisen lassen wollte in der Art und Weise, wie sie es taten, die aber gleichzeitig von einem, was sie anständiges Leben nannten, Ehrlichkeit, aufrechte Haltung, Fleiß, Gehorsam verlangten, und man wusste, die haben allen möglichen Dreck an der Hacke und spielen hier die absoluten Saubermänner und Frauen, und dagegen wurde rebelliert.
A Das ist ja Urwaldmusik! B Du hast recht, das ist Urwaldmusik. A Eins steht fest: Man muss Marx gelesen haben, wenn man ein richtiger Linker sein will. Stimmt´s? B Auf gar keinen Fall, nein. Es gibt viele Formen links zu sein. Es gibt viele, die von Marx nichts wissen, oder nichts wissen wollen. Es gibt eben viele Formen links zu sein, das ist eben die Antwort. Aber: Wer sich nicht mit Marx beschäftigt, der vergibt die größte Chance, sein Denken zu schulen. Das ist mal der erste Punkt. Es gibt keine zweite Analyse dessen, was auf diesem Globus jetzt existiert und herrscht, des Kapitalismus, die mit der Marxschen konkurrieren könnte. Das ist meine tiefe Überzeugung. Deswegen versteht niemand etwas von diesen Prozessen, der einfach an diesen Erkenntnissen vorbeigeht.
Weil ihr schwach seid, habt Ihr uns Halbstarke genannt.
Weil ihr schwach seid, habt Ihr Euch Ruhe von uns erkauft,
solange wir klein waren, mit Kinogeld und Eis.
Nicht uns habt Ihr damit gedient, sondern Euch und Eurer Bequemlichkeit.
Zeig, ob Du stark bist im Menschsein, Herr Minister!
Wieviele gute Taten begehst Du im Verborgenen als Christ?
Wir machen offen Lärm und randalieren.
Ihr aber kämpft gnadenlos im Verborgenen, einer gegen den anderen.
Ihr dreht Euch geschäftig den Hals um, intrigiert um besser bezahlte Posten.
Zeigt uns für jeden von uns, der Lärm macht, einen von Euch, der im Stillen gut ist.
Laßt, anstatt mit Gummiknüppeln zu drohen, Männer auf uns los, die zeigen, wo der Weg ist. Nicht mit Worten, sondern mit ihrem Leben.
Aber Ihr seid schwach, und wir sind halbstark.
A Wie ist denn das heute eigentlich. Könnte man sich sowas wie eine Jugendrevolte vorstellen? B Nein.
A Halten Sie sich selbst für eine Linke? B Habe ich eigentlich immer gedacht, ja. Aber es wird sicherlich von manchen bestritten, dass ich links bin.
A Weißt Du Maidon, ich sag Dir doch immer, dass ich so dumm bin. B Ja ich weiß. A Und ich hab das Gefühl, dass wenn andere Menschen noch dümmer sind, vor allem, wenns wichtige Leute sind, dass das für mich eine Erholung ist, dann komm ich mir nicht ganz so dumm vor.
Max Horkheimer Institut für Sozialforschung, Frankfurter Schule, Kritische Theorie, Dialektik der Aufklärung - linke Grundbegriffe, muss man fehlerfrei nachsprechen können.
A Hör mal zu. "Air force missile fails to orbit ..." Air-Force- Rakete verfehlt die Umlaufbahn. Abrüstungskonferenz steckt in Sackgasse. Vietnam-Krieg hat sich festgefahren. Ohne die Zeitung hätte ich einen gewaltigen Minderwertigkeitskomplex. B Wunderbar. A Also der sagt doch wirklich, was ich selber fühle. Weißt Du, das Schöne an den Comics ist eigentlich, was man auch über Amerika sagen mag, Amerikaner sagen es von sich selbst. Die haben einfach die Großzügigkeit, das im Witz selber zu sagen. Und manchmal denke ich, hier ist der Witz verstummt.
Zwischentöne sind nur Krampf in dem Klassenkampf.
A Also ich würde mich jetzt Links nennen. B Worin drückt sich denn das aus, das Links sein? A Dass ich nicht rechts bin. B Das ist eine negative Bestimmung. A Ja das geht nur so.
Arbeit macht das Leben süß,
so süß wie Maschinenöl.
Ich mach den ganzen Tag nur Sachen,
die ich gar nicht machen will.
Ich möchte gern mal meinem Chef
die Möbel gradeziehn.
Ich möchte am liebsten abhaun,
wenns zu hause wieder kracht
Und ich warte jeden Montagmorgen
schon auf Freitagnacht.
Es geht nur noch darum, die Märkte immer größer zu machen, damit man mit immer weniger Produkten immer höhere Profite in immer mehr Regionen der Welt erzielen kann. Dass man dadurch die einzelnen Gesellschaften zerstört, dass man also überbrachte Gewohnheiten, Ernährungsweisen und und und da einfach nur vorführt und kaputtmacht, dass man auch die Menschen damit schädigt, das soll überhaupt nicht gesehen werden. Und zum Beispiel diese, ich will mal sagen, diese Tollenphilosophie des Kapitalismus, das ist ja sowieso 'ne Geschichte, die ihn letztendlich zerstören wird, weil die können nicht immer nur neu. Wenn ich mir nur überlege, was da an unsinnigen Rescourcen vergeigt wird auf Dauer und was da an unsinnigen Konflikten geführt wird, aus dieser Situation heraus kann ich sagen, das ist einfach nicht durchzuhalten, und es gibt ja auch schon widerstrebende Bewegungen, die einfach sagen, so läuft das nicht. Sich selber hat man ja auch schon insoweit, sagen wir mal beruhigt, als dass man mehr oder weniger alle Ideale, die man mal hatte, über Bord geworfen hat. Ich hatte selbst meine erste aktive Bestechung durchgeführt, indem ich also einem Umzugseinkäufer eine Querflöte zukommen ließ. Das war aber auch eine meiner größten und meiner letzten Taten, weil das war mir dann irgendwie viel zu blöde. Der hatte mir vorgeschlagen, ich soll mit ihm ins Puff gehen. Also das fand ich das Allerletzte. Da hab ich ihm vorgeschlagen, ob wir das nicht irgendwie anders erledigen könnten. Und das hab ich dann auch gemacht, da gab's dann eine Querflöte, für die Tochter, zwölfhundert Mark, weeß ick noch, Tach wie heute.
Plötzlich haben die alle sich auch vom Äußeren her verändert, dann haben sie alle Bärte getragen, nach einem Jahr wurden alle Ehen geschieden. Komisch, ja? Die hatten alle schon ein Kind gehabt, ja, haben einen kleinen Citroën oder einen kleinen Renault gehabt und plötzlich kommt so ein Gewitter über sie, wie die linke Bewegung, und ihr ganzes Leben verändert sich. Und sie können nicht mehr nach Hause fahren, weil die Eltern die langen Haare oder die Bärte nicht mehr sehen wollen, die ganze Welt verändert sich. Und plötzlich lesen sie alle Marx, ja, ist schon merkwürdig.
Diese Vorstellung von damals, Mann jetzt geht's los, auf der ganzen Welt bewegt sich alles nach links, die Verhältnisse tanzen, keine Sekunde Zeit verlieren. Wir müssen dran bleiben, diese Aufgeregtheit, diese Hektik, diese Begeisterung.
Das bürgerlich-kapitalistische Denken zeichnet sich dadurch aus, dass es gesellschaftliche Konflikte, von Menschen gemacht, von vielen Menschen massenhaft gemacht, nur begreifen kann in der Gestalt von Personen. Dieses Denken muss personalisieren, und so war es auch kein Wunder, dass unser Konflikt mit dieser Gesellschaft, von der wir nichts mehr erwarten, mit der wir uns auseinander setzen, gegen die wir kämpfen, weil sie uns eine neue Welt verweigert, darum war auch von ihr nichts anders zu erwarten, dass sie unsere Bewegung personalisiert.
Wir Studenten, die bewusstesten Teile der Studentenschaft, haben in der letzten Zeit viele Fehler gemacht, haben den Lohn- und Arbeitskämpfen innerhalb der produktiven Sphäre, die sich seit langer Zeit ankündigten, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Haben nur unsere eigenen Probleme gesehen, hatten nicht begriffen, dass es eine Lösung unserer Probleme im isolierten Rahmen der Universität nicht geben kann, dass nur die Einheit von bewussten unabhängigen Massen und bewussten Teilen der Studentenschaft eine Lösung der sozialen und politischen Probleme dieser Gesellschaft bringen kann.
Das würde mich aber nicht stören, weil in der Gesellschaft, die mir vorschwebt, würde es mir ja an nichts fehlen.
Es will sowieso keiner Revolution machen, die anderen auch nicht, und das, was wir mit der dritten Welt machen, das ist auch falsch, denn wir wissen ja gar nicht was die wollen, wir nehmen die ja nur als Projektionsfläche: Wir solidarisieren uns mit dem Widerstand in Chile, in Argentinien, in Vietnam sowieso, in Südafrika, aber jeder nimmt sich seine eigene Organisation, PFLPF, Palästinenser, und kümmert sich aber nicht wirklich darum, weil das nur für uns als innenpolitische revolutionäre Reservearmee gedient hat, als Projektion halt.
Erinnern Sie sich noch, als wir eine Hitlerjugend hatten? Da tat diese Hitlerjugend die alte Generation als die vorrevolutionäre ab. Es gehört immer zu jeder revolutionären Bewegung ein Stück Vatermord, wie man so sagt, ein Stück Mord der alten Generation. Alle großen Revolutionen der Weltgeschichte enthalten dieses Abtöten, dieses gewaltsame Abtöten der Vergangenheit, weil diese Vergangenheit so enttäuschend war auf der einen Seite, einen eben nicht beschützt hat, und weil auf der anderen Seite man doch sehr viel Furcht vor ihr hat.
Das Tragische war, dass wir, die 68er Bewegung, seine radikalen Analysen der Gesellschaft, dass die Gesellschaftsstruktur selber das Falsche ist, in dem wir leben, diese von ihm radikal voran getriebene Analyse, "Es gibt kein richtiges Leben im falschen", das war damals das geflügelte Wort, dass er diese Analyse vorgelegt hatte, mit dem Bewusstsein und mit der Voraussetzung, dass es einen solchen systemischen, also aufs System bezogenen, Verhängniszusammenhang und Verblendungszusammenhang, das waren die Ausdrücke damals, das dieser Zusammenhang so dicht ist, dass man da nicht raus kommt. Man kommt nicht raus. Und er selber als der Theorievirtuose entwickelte schon sehr viel Freiheitsimpuls und realisierte sehr viele Freiheitsimpulse einfach durch die Tatsache, dass er eine Theorie darüber machte. Das war schon ein Stückchen Befreiung für ihn. Aber dieses Stück der Befreiung, das nur in der Theorie liegt, das wollten wir nicht akzeptieren, wir wollten es konkreter haben. Und das ging für ihn nicht. Und wir nahmen seine theoretischen Impulse auf und wollten eine viel holzschnittartigere Praxis der Befreiung. Er sah nur das Schweißtuch der Theorie: Auseinanderfalten, das war schon sein Akt von Befreiung, und wir wollten mehr.
A Tegeler Weg war irgendwie komisch, da hat irgendwas nicht gestimmt, ich weiß nicht was. Tegeler Weg, dass da plötzlich so viele Steine da waren. Da kam ein Lastwagen mit Steinen angefahren, ich weiß ja nicht warum. Wo kam der Lastwagen mit Steinen her, ja? B Hast Du den gesehen, den Lastwagen? A Ja, klar. Das musst Du Dir mal vorstellen, ja. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die angefahren haben. Also das gab's gar nicht, glaub ich. Das müssen die anderen gemacht haben, unsere Gegner. C Nach der Schlacht am Tegeler Weg gab es ja eine große Versammlung im Auditorium Maximum der TU, da wurden Formen des Guerillakrieges, der Stadtguerilla, diskutiert und da war eine Stimmung, bei neunhundert Anwesenden, für diese Form des Kampfes.
A Sagen Sie, fühlen Sie sich eigentlich bedroht? B Na, die Bedrohung ist nicht in der Stadt, die ist international, aber ich fühle mich persönlich überhaupt nicht bedroht.
Wem nützte die Musik von Pink Floyd? Was war sie anderes als Teil des "universellen Verblendungszusammenhangs", von dem Adorno gesprochen hatte? Dieser angebliche Protest. Er war doch nichts weiter als Ornament der kapitalistischen Welt, hielt die Jugend bei der Stange, zog ihr das Geld aus der Tasche und machte sie rammdösig.
A Ist das nun die neue Taktik Ihrer Partei, dass Sie nun in nächster Zukunft ähnliche Aktionen vorbereiten werden, mit ähnlicher Brutalität, mit ähnlicher Gewalt? B ... und wir werden zu spektakulären Aktionen wie dieser dann greifen, wenn spektakuläre Anlässe es gebieten. A Haben Sie nicht eine romantisch-revolutionäre Idee von der Revolution hier in der Bundesrepublik, die gar nicht funktionieren kann?" B Träumer sind meiner Ansicht nach diejenigen, die glauben, mit Strukturreformen die kapitalistische Gesellschaft überwinden zu können. Realisten sind diejenigen, die den Gewaltapparat des Monopolkapitals analysiert haben und die wissen, dass der Weg zum Sozialismus auch in der Bundesrepublik nur über die bewaffnete Auseinandersetzung der Volksmassen gehen kann.
Mir gefallen auch alle Sachen, die man in Kaufhäusern kaufen kann, aber wenn man sie kaufen muss, damit man nicht zu Bewusstsein kommt, dann ist der Preis, den man dafür zahlt zu hoch. Da braucht man dann nicht mehr nur nach Vietnam zu gucken, und sich Elend da anzugucken, da reicht's dann wirklich einen Blick auf unsere Gesellschaft zu werfen, um die Bewusstlosigkeit zu sehen, die ich einfach menschenunwürdig nenne. Ich werde mich niemals damit abfinden, dass man nichts tut. Ich will etwas getan haben. Ich wollte etwas tun.
A Nun sag mal was. B Was denn? A Irgendwas. B Mir fällt nichts ein. A Trotzdem, sag was.
Privatangelegenheiten sind eminent politisch. Kindererziehung ist unheimlich politisch. Die Beziehungen, die die Menschen untereinander haben sind unheimlich politisch, weil sie etwas darüber aussagen ob Menschen unterdrückt sind oder frei sind, ob sie Gedanken fassen können, oder ob sie keinen Gedanken fassen können, ob sie was tun können oder nichts tun können.
Wenn man so will, ist das die zentrale Unterdrückung der Frau, dass man ihr Privatleben als Privatleben in Gegensatz stellt zu irgendeinem politischen Leben. Wobei man umgekehrt sagen kann, da wo politische Arbeit nicht was zu tun hat mit dem Privatleben, stimmt sie nicht, da ist sie perspektivisch nicht durchzuhalten. Man kann nicht antiautoritäre Politik machen und zu Hause seine Kinder verhaun.
A Wir werden siegen. Der Kapitalismus führt zum Faschismus. Der Kapitalismus muss weg! B Faschismus steckt heute in allen Institutionen drin. A Sehen Sie einen alleinigen Gegensatz von Sozialismus und Faschismus. Gibt es dazwischen nichts mehr?
Ja, es gab auch übrigens, erinnere ich mich jetzt, es gab auch auf den Straßen, bei den großen Anti-Vietnamdemonstrationen den Ruf 'USA-SA-SS', gab es auch, ja. Das waren auch sehr bewusst eingesetzte, propagandistische, agitatorische Tricks, würde ich heute sagen, um den Skandal der aktuellen Politik, den man hier angreifen wollte, im Falle Vietnam, um diesen Skandal propagandistisch hochzuziehen. Das war's schon, ja, aber man muss es auf diesem Hintergrund sehen, das sind propagandistische Manöver, die gleichzeitig stattfanden mit dem sich Orientieren an amerikanischen Kulturmodellen.
A Wie stehen Sie zur Gewalt? Ist das für Sie ein taktisches Problem, wie Herbert Marcuse formuliert hat? B Für mich ist das ein prinzipielles Problem. Und ich denke, das in den Metropolen, das heißt in der hochindustriellen Welt, Gewalt in Form des Terrors gegen Menschen absolut unmenschlich und konterrevolutionär ist, und wir das nicht mehr benötigen.
Wir stecken drin in einem Gewaltverhältnis und wir müssen drauf reagieren. Das heißt also, die Gewalt lief mit, und ich bin überzeugt, dass die Gewalt aus dem Herzen der APO kommt, dass wir nicht mitgemacht haben, das hängt sicherlich mit unserer persönlichen Feigheit zusammen.
A Wenn man wirklich zur Waffe greift und es wirklich ernst wird, geht dann nicht irgendein rotes Licht in einem an, ist da nicht irgendwas, das sagt: 'Hier ist der Rubikon, den Du nicht überschreiten darfst'? B Nein, eben nicht. Das war ja die Überlegung, was geht eigentlich in der Welt vor, und das war ja weltweit die Front, die bewaffnete Front, gegen den US-Imperialismus und dann war die Frage: Was machen wir? Die Nutznießer dieses Systems. Uns ging's ja gut, in Deutschland hatten wir ja ein Wirtschaftswunder. Deutschland war so gesehen wirtschaftlich der Gewinner des Zweiten Weltkrieges, politisch gesehen der Verlierer, ganz klar. Und dann hieß die Frage: Bringen wir uns ein in diesen Kampf und verzichten wir auf unsere Privilegien, und was heißt das dann? Da muss man natürlich mit seinen moralischen Bedenken fertig werden, denn ein geschichtlicher Prozess ist nicht eine moralische Veranstaltung. Da ist die Moral nicht am Platze. Da war Lenin, da war Brecht für uns tonangebend, die gesagt haben, also moralisch ist das, was der Revolution nützt, und amoralisch das, was ihr schadet. Und da ist die Frage: Was muss getan werden? Und da gab's bei Brecht die Parabel "Die Maßnahme", wo es dann darum geht einen Genossen zu beseitigen, den man für unsicher hielt, der die Gruppe belastete, da muss man dann eben auch diese Entschlossenheit aufbringen ihn zu beseitigen, obwohl er eigentlich der Nächste ist, den man hat, der Bruder, und das ist eben notwendig, um diesen Kampf führen zu können, so die Einstellung.
Was ist eigentlich ein Mensch?
Weiß ich was ein Mensch ist?
Weiß ich wer das weiß?
Ich weiß nicht was ein Mensch ist.
Ich kenne nur seinen Preis.
Es wird alles manipuliert, egal was wir machen, unser Widerstand ist auch schon mit drin. Wir, wenn wir Widerstand leisten, und irgendwas machen, weiß der Himmel, da 'ne Explosion und da'n Happening oder so was, das trägt alles nur zur Systemstabilisierung bei, und das System rechnet schon damit und hat das alles schon mit drin. Da brauchen wir uns gar nicht mehr groß anzustrengen. Wenn ein solches System als Kapitalismus so funktioniert, hat es einfach diese Struktur und diese Struktur ist einfach gewalttätig jedem gegenüber. Er kann nicht mehr raus. Man kann machen was man will, man schafft es einfach nicht mehr, das System aufzubrechen und wenn man es, je nachdem wie verfestigt so ein System ist, das wirklich dann noch aufbrechen will und das alles dann noch ernst nimmt, dann landet man bei der RAF, bei der Roten Armee Fraktion. Die sagt: Dieser ganze Staat ist ein Polizeistaat. Die andern sagen: Du spinnst. Dann sagen die: Moment, das werden wir Euch beweisen. Dann bringen sie einen Polizisten um und 14 Tage, ach am selben Tag schon, überall, die Polizei mit Knarren macht große Kontrollen, hier kommt keiner mehr durch, da kommt keiner mehr durch. Das BKA, das Bundeskriminalamt, kriegt Geld wie wahnsinnig, und ein Jahr später kann man die Bundesrepublik nicht mehr erkennen. Das ist also so, wir haben damals gesagt, als hätte die CSU zwanzig Jahre lang alleine regiert. Der Vorhang geht auf und wir sehen, das ist die Bundesrepublik, das ist Deutschland, Modell Deutschland, und jetzt guckt da mal hin.
A 17 Uhr 24. Polizeinotruf B Ja, Witt, in der Eisenacher Straße, Ecke Fuggerstraße werden drei junge Leute mit der Pistole bedroht, von einem. Ich weiß nicht, ob das schon die Auswirkungen der Baader-Jagd sind, können Sie mal da sofort hinfahren? A Eisenacher Ecke ...? B Fugger, da so bei dem Antiquitätengeschäft, gegenüber vom Spielplatz. A Was ist da? B Na, da werden drei junge Leute von einem mit'ner Pistole bedroht und so. Und die lehnen sich jetzt da an die Wand mit gehobenen Armen und so. A Bedrohung mit Pistole, ja? B Von einem Zivilisten, nicht von einem Polizisten. A Wir kommen mal hin. B Es wird geschossen! A Ja, wir kommen hin, bleiben Sie bitte dran. B Schnell Mensch! Einer liegt, es wird geschossen, hören Sie?
A Das war ja so eine Gruppe von Leuten, die es eigentlich nicht wollten. Eigentlich waren das Haschrebellen, kann man sagen. Und die auch Musik, wenn Du mit denen gefahren bist, da lief nur Musik, auch zu Hause bei denen, immer 'ne hundert Watt Musikanlage. Man hätte da reingeraten können oder auch nicht. Das war manchmal gar nicht so einfach, sich davon freizumachen. Weil, die kamen ja zu Dir und sagten: 'Gib mir mal Deinen Ausweis her. Bist doch'n Kumpel, gib mir mal Deinen Ausweis her. Bist Du zu feige dazu?' Dann musst Du sagen: 'Ja, ich bin zu feige dazu.' B Wenn Du zurückguckst, warst Du zu feige dazu oder war das etwas anderes? A Ich war zu feige, ich wollte nicht ins Gefängnis. Und auch Rio nicht, Rio hat auch fürchterliche Angst vor Knast gehabt. Hab ich auch heute noch. B Wenn jetzt also jemand kommt und sagt: 'Gib mir mal Deinen Ausweis, Du willst doch ein Genosse sein, also gib mal Deinen Ausweis, gib mir mal Dein Auto, mach mal dies, mach mal jenes, selbst wenn ich gar keine Angst hätte, dann würde ich mir doch sagen, da ist doch irgendwas faul. A Du hast doch die Leute gekannt, da haben sie noch keine Knarre gehabt, Du hast doch mit denen am Tisch gesessen, Du hast mit denen gegessen, Du hast mit denen einen Joint geraucht, alles gemeinsam, Du warst mit denen sogar verreist, im Urlaub sechs Wochen, und plötzlich kommen die mit 'ner Knarre an, und sagen: Guck mal, was ich hier hab. Dann haben sie alle Stoppuhren gehabt... B Das war irgendwie auch modern. A Das war schick.
Diese bundesrepublikanische Gesellschaft ist verrottet, marode und was weiß ich. Sie muss verändert werden. Sie kann nur verändert werden mit Gewalt. Und nun kommt der entscheidende Punkt: Der Staat wird darauf mit brutaler Gewalt antworten, er wird ein Polizeistaat werden. Und dann, wenn wir die Opfer geworden sind dieser Auseinandersetzung, wird sich das Volk erheben und es wird die Revolution kommen und es wird ein freies Land sein. Dass die Ereignisse seit, wann hat's denn angefangen, 70 'ne bis heute, daß die aus diesem Staat etwas gemacht haben, das wir, die wir mal das Grundgesetz unterschrieben haben, uns nie hätten vorstellen können. Ich brauch mir ja nur anzuschauen, wie die Polizei zu meiner Zeit ausgesehen hat, und wie sie heute aussieht. Mondmenschen.
A Was heißt Revolutionär? B Ich kann nur sagen, dass die RAF ihrem Selbstverständnis nach zu den Revolutionären und Sozialrevolutionären der Gegenwart gehört, ihrem Selbstverständnis nach. Und das bindet uns ein Stück weit.
A Hatte man nicht manchmal das Gefühl, dass man völlig unterwandert war und dass man gehandelt hat, wie eine Marionette an Fäden, ohne es zu ahnen? B In dem was wir an der Uni gemacht haben und selbst gemacht haben überhaupt nicht, das war vollkommen selbstbestimmt. Aber alles, was in Richtung von Stadtguerilla ging und was sich in Richtung RAF bewegte, da hat es kaum einen Schritt gegeben, der nicht mit Spitzelbeteiligung und Nachrichten an BND und Verfassungsschutz lief, da bin ich sicher. Die RAF-Leute waren zum großen Teil in diesem Sinne tatsächlich Marionetten der Politik, die man auch gern von ihnen wollte. Das war ja die Sorte von Verfolgung, die aufgezogen wurde gegenüber dieser nicht so wahnsinnig gesellschaftsbedrohenden und großen Gruppe, weil man was Fixierbares haben wollte zum Vernichten und zum Opfern, um dieses berühmte Exempel zu statuieren, wir sind stärker und wir sind die Macht.
Aus diesem Dilemma heraus war die Vernichtung der RAF auch eine Erlösung für dieses ganze Sympathisantenfeld, sie konnten aufatmen, weil dieser dauernde moralische Druck auf ihnen, sie tun nicht richtig was, das konnten sie ablegen und dann konnten sie ruhig in die Grünen überfließen, was dann sehr viele von ihnen auch gemacht haben.
Ihr wirkliches pazifistisches Grünsein dann konnten sie erst formulieren nach Vernichtung der RAF, weil diese Koppelung, die Drohung dieser Koppelung weg war. Insofern war ihnen, nachdem dann Stammheim passiert war, waren sie ganz zufrieden. Und das war der Aufbruch in den neuen Ökostaat.
A Ich möchte nämlich folgende These aufstellen: Dass nämlich innerhalb des Theaters heute kein Theater mehr möglich ist. B Dann müsste man ja die schönen großen Schuppen alle schließen. A Ja, das ist ja richtig. B Da sagen Sie ja, aber das sind Milliarden Sozialprodukt, die wir da verbaut haben und die wir doch, bevor wir sie schließen, verbrennen, oder was immer Sie damit machen wollen, würde ich sagen, gut, Musik, Beatles, in Ordnung. Schließen wir das Repertoiretheater und machen auf der Bühne irgendetwas, da bin ich sofort einverstanden. A Nein, nicht innerhalb der Bühne. Innerhalb der Bühne ist nichts mehr möglich. B Auf der Bühne ist nichts mehr möglich? A Nein.
Gutes Theater ist immer links.
Das war, das ist eine der blindesten Stellen, die Sie, die ich, je mal gesagt habe.
Die Idee der proletarischen Revolution war zuerst, die wollte ich miterleben, und wollte mich, sag ich mal, dran hochziehen. Ich wollte Teil davon sein.
B Das klingt aber ganz schön links, das du da sagst. Wo hast'n das gelernt? A Ich denk auch manchmal.
Aber mittlerweile ist ja die gesamte Popkultur auf Schulschwänzer-Konsumption aus. Das Kulturmodell ist ja der Schulschwänzer, der sagt: Machen wir es uns nicht so schwer, es muss ja unserer Unterhaltung dienen, ach ist das anstrengend, einen Text zu lesen. Ist dieser Widerstand gegen das Bildungsgut, ist das irgendwas Revolutionäres? Hat diese Revolte irgendeinen Bestand? War das System nicht auf diese Revolte aus?
Ich hab' das Kommunistische Manifest gelesen. Das finde ich nach wie vor einen der größten Texte der Weltliteratur, das ist ein prophetischer Text und ein witziger Text, ein satirischer Text, der wirklich alle Schleier runterreißt von den Interessen der herrschenden Klasse, und er macht einem wieder richtig Laune links zu sein.
A Ich habe fast nichts gelesen B Ich habe das Kommunistische Manifest gelesen.