Solange es Zitate gibt, machen wir nichts eigenes. Findet die Momente in der Operette, mit denen ihr etwas anfangen könnt. Wir sehen und hören nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod der Operette, sondern eine neue Art des Zuschauens und -hörens. In der Operette gibt es nichts zu verstehen, aber viel, womit man etwas anfangen kann. Die Operette muss mit etwas anderem eine Maschine bilden, sie muss ein kleines Werkzeug für ein Außen sein. Die Kombinationen, Permutationen und Gebrauchsweisen sind der Operette nie immanent, sondern hängen von seinen Verbindungen mit diesem oder jenem Außen ab. Jawohl, nehmt, was ihr wollt! Dass die Orgienszene im zweiten Bild, wo uns die Choristen sehr moralisch davon überzeugen, dass sie von der Ausschweifung nur eine sehr rhetorische Vorstellung haben und felsenfest glauben, sie bestünde für die Männer darin, sich mit rudernden Armbewegungen leere Becher zu schnappen, und für die Frauen, sich mit vollem Busen nach hinten zu beugen und um sich selbst zu drehen, um schamvoll die simulierten Küsse der braven dicken Papis abzuwehren, dass also diese Szene, genauso wie alle anderen, in denen eine unglaubliche Schelmenatmosphäre herrschen sollte, verfehlt ist, mag ja noch angehen. Aber dass das Wiegenlied im Irrenhaus, wo sie den Wahnsinnigen einschläfert, eine perlende Romanze inmitten eines Volks von Hausmeistern ist, die an einem Sonntag im August in Pantoffeln vor ihrer Haustür herumlungern, ist das nicht das Anzeichen einer vollständigen Unfähigkeit zur Größe? Mir scheint, dass eine bestimmte Form des Konformismus auf eine eigenartige Weise wieder sozial prägnant wird: Dass die Leute heiraten, dass sie Wert auf Einrichtung legen und auf die Gegenden, in denen sie wohnen, also auf all das, was man mit dem nicht sehr genauen Begriff bürgerlich bezeichnen könnte. Das ist ein fast schon resignatives Moment, so erlebe ich das jedenfalls. Die unreflektierte Rückkehr des Bürgerlichen, die vollkommen ausblendet, was auch an politisch-emanzipatorischem Potenzial im Bürgerlichen steckt, die sich reduziert auf Stilfragen und Einrichtungsgegenstände, nimmt im Augenblick fast schon groteske Züge an. Aber ich bin noch nicht fertig: noch einmal blitzen die Augen auf, und meine Haare glühen: Ich bin doch ein REBELL! Zu einem Rebellen müssen doch wenigstens andere Rebellen helfen. Dass wir uns zusammenrotten zu einem Rebellenhaufen. Ich glimme noch. Eine letzte Wildheit möchte ich noch herüber retten in mein lausiges Dasein. Und es war alles, alles gut! Man lernt einen ungewöhnlichen Menschen kennen und der erste Gedanke ist, etwas daraus zu machen. Das ist schon richtig. Die Liebe, die hat ja hier keine Probleme. Die Probleme, die passieren draußen. Drinnen, da können zwei Menschen zärtlich sein zueinander. Die schauen mit großen staunenden Augen an, was um sie herum geschieht. Denen ist alles unfassbar. Unter den Umständen ist die Liebe das Einfachste, das, was man kapieren kann. Und da hält man sich dran. Was tun? Sich was vormachen. Bitte. Es zwingt sie ja keiner., sagt man sich und will es ihr sagen, dass ihre Liebe gar keine ist. Was würde das nützen? Mit einer Illusion im Kopf lässt sich die Einsamkeit besser ertragen. Die werden auch nicht glücklich zusammen. Sie wird ewig ihrem Dirigenten hinterher träumen, und er wird die Unzufriedenheit seiner Frau spüren. Umso mehr werden sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Die machen immer Pläne vom Glück, von der Zärtlichkeit, dann klingelt das Telefon, ein neuer Auftrag. Wo nichts geht, da sind sie immer ganz schön hinterher, die Menschen. Das ist grausam, da kann man sie beide verstehen, beide haben recht, und beiden wird keiner je helfen können. Es sei denn wir verändern die Welt. Dann bei Annies Beerdigung, da findet sich alles wieder zusammen, da tun sie für Momente, als wäre alles okay. Und dieses „so tun“ zwischendurch, das lässt sie immer weiter die gleiche Scheiße bauen, weil sie schon ahnen, wonach sie sich sehnen, eigentlich, und vergessen es wieder. Alles in Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen, das müsste schön sein. Man kann immer nur ausgehen von dem, was ist. Keine Utopie ist eine.